4
Mrz

BBGK-Nachwuchspreis 2021

Sehr geehrte Mitglieder,

nach ordnungsgemäßer Ausschreibung auf unserer Website und in der Zeitschrift Herzmedizin erfolgten die Bewerbungen der unter 35 Jahre alten, wissenschaftlich tätigen Mediziner mit ihren besten Publikationen aus den vergangenen zwölf Monaten. Acht Arbeiten wurden sodann einem Begutachtungsprozess unterzogen, aus dem mit eindeutigen Voten die nachfolgenden drei besten Arbeiten ermittelt wurden.

In diesem Jahr findet wegen des Corona-Krisen-bedingten Ausfalles unserer BBGK-Wintertagung keine mündliche Präsentation im Rahmen der Tagung statt, sondern die Preisträger präsentieren Ihre Projekte in gekürzter Fassung auf dieser Website:


Der BBGK-Nachwuchspreis 2021 geht an die Erstplatzierte des Begutachtungsprozesses,

Frau Dr. med. Viktoria Weixler, MD, PhD, 30 J.,

Assistenzärztin in der Klinik für Chirurgie Angeborener Herzfehler – Kinderherzchirurgie DHZB bei Prof. Photiadis. Die aus Graz stammende Ärztin studierte und promovierte 2015 in Graz und erwarb dann über ein postdoctoral program an der Universität Graz im April 2020 den Grad eines Doctor of Science der Harvard Medical School in Boston. Schon seit 2010 hatte sie in Österreich vier medizinische Preise erhalten und hochrangig publiziert. Seit Mai 2019 ist sie in der Kinderherzchirurgie des Berliner Herzzentrums tätig.

Ihre Preisarbeit: „Autogenous mitochondria transplantation for treatment of right heart failure“ wurde im Journal of Thoracic and Cardiovascular Surgery publiziert und wird nachfolgend in Kurzfassung dargestellt. 

Autologe Mitochondrientransplantation zur Therapie von Rechtsherzversagen

HintergrundRechtsherzhypertrophie und -versagen zählen zu den Hauptursachen für kardiale Morbidität und Mortalität bei Patienten mit pulmonalem Hochdruck und rechtsventrikulären Ausflusstraktsverengungen. Der apoptotische Untergang der Kardiomyozyten bedingt durch dysfunktionale Mitochondrien spielt eine entscheidende Rolle im Übergang von Hypertrophie zu Dilatation und schließlich Versagen. 

Ziel dieser Arbeit war es durch autologe Transplantation von gesunden, funktionalen Mitochondrien (aus eigenem nicht-ischämischen Skelettmuskel isoliert) diesen Prozess und damit den Übergang zum Rechtsherzversagen zu verhindern. 

Methoden: Es wurde zunächst ein in vitro Zellkulturmodell bestehend aus isolierten neonatalen Rattenkardiomyozyten dazu verwendet, die Aufnahme der transplantierten Mitochondrien (PHrodo) in die hypertrophierten Kardiomyozyten sowie die Veränderung des ATP-Gehaltes in der Zelle darzustellen. 

In einem anschließenden in vivo Rechtsherzüberlastungsmodell wurden 5-10 kg schwere Yorkshire Ferkel (N=18) über eine laterale Thorakotomie einer Pulmonalarterienbändelung unterzogen. 

Abbildung: Versuchsaufbau Schweineherz

Nach vier Wochen wurden am hypertrophierten rechten Ventrikel durch direkte Injektion entweder Mitochondrien (Gruppe PAB-M, N=6) oder ein Vehikel (Gruppe PAB-V, N=6) appliziert. Eine weitere Gruppe, die lediglich eine laterale Thorakotomie ohne Bändelung der Pulmonalarterie erhielt, diente als Kontrolle (Gruppe Sham, N=6). Nach weiteren 4 Wochen und der Euthanasie der Schweine, wurden Biopsien aus der rechten freien Wand zur histologischen Analyse (Apoptose, Fibrose) entnommen. Während der gesamten Studie wurden in Abständen von 2 Wochen echo-kardiographische Messungen für rechtsventrikuläre Kontraktilität (TAPSE, FAC) und Hypertrophie (Wandstärke im M-Mode) vorgenommen. Zusätzlich wurden invasive Messungen durch einen Druck-Volumenkatheter (enddias-tolischer rechtsventrikulärer Druck, Volumen, dp/dt max) jeweils zum Studienbeginn und Studienende durchgeführt. 

Ergebnisse: In dem in vitro Zellkulturmodell konnte die Aufnahme der transplantierten Mitochondrien in die hypertrophierten Kardiomyozyten durch PHrodo-Anfärbung sowie ein entsprechender Anstieg der ATP-Level nach Transplantation gezeigt werden. 

Abbildung: Aufnahme der transplantierten Mitochondrien in den Zellkern der Kardiomyozyten

Im in vivo Schweineherzmodell, konnte nachgewiesen werden, dass die PA-gebändelten Schweine (PAB-M und PAB-V) verglichen zur Sham-Kontrolle nach 4 Wochen eine deutliche Rechtsherzhypertrophie entwickelten (RV-Wandstärke in cm: 0,4± 0.02 vs. 0,28±0.01, P=0,001), die in der Gruppe PAB-M dann weiter zunahm, wohingegen in der Gruppe PAB-V die Muskelmasse abnahm und sich zum Zeitpunkt der Euthanasie eine Rechtsherzdilatation zeigte (0,47±0,02 vs. 0,35±0,03, P=0,01). Die Kontraktilität unterschied sich zu Studienbeginn zwischen den einzelnen Gruppen nicht, war allerdings kurz vor Transplantation bei den Gruppen PAB-M und PAB-V deutlich eingeschränkt im Vergleich zur gesunden Kontrolle (Abnahme von FAC und TAPSE, P>0,001). Nach Transplantation von Vehikel bzw. Mitochondrien, zeigte sich die Mitochondrien-Gruppe deutlich kontraktiler (TAPSE, FAC, dp/dt max, P<0,001) verglichen mit der Vehikel-Gruppe. Die histologische Analyse zeigte einen signifikant höheren Anteil an apoptotischen Zellen (anteilig an der gesamten Kardiomyozytenzahl) sowie einen signifikant höheren Prozentsatz an Fibrose in der Vehikelgruppe, verglichen zur Kontrolle und der Mitochondriengruppe. 

Schlussfolgerung: Mit dieser Studie konnte demonstriert werden, dass sich vitale transplantierte Mitochondrien in hypertrophierte Kardiomyozyten integrieren und dort den ATP-Gehalt erhöhen. Dadurch konnte in vivo der Prozess von Rechtsherzhypertrophie zu Rechtsherzversagen aufgehalten werden.


Der Zweitplatzierte des Begutachtungsprozesses ist

Herr David Bode, 29 J, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der AG Prof. Heinzel, der Kardiologischen Klinik im Virchow-Klinikum der Charité Berlin (Prof. Pieske). 

Der Berliner Mediziner wird voraussichtlich im Mai 2021 sein drittes medizinisches Staatsexamen ablegen und hat bereits mehrere Arbeiten als Erstautor publiziert. 

Seine zweitplatzierte Arbeit „Oxidative Stress an Inflammatory Modulation of Ca2+ Handling in Metabolic HFpEF-Related Left Atrial Cardiomyopathy“ wurde in der Zeitschrift Antioxidants publiziert und wird nachfolgend in Kurzfassung dargestellt.

Oxidativer Stress als Inflammatorische Modulation des Ca2+-Handling bei metabolischer, HFpEF-bedingter Links atrialer Kardiomyopathie

Einleitung: Etwa die Hälfte der Patienten mit Herzmuskelschwäche haben eine erhaltene Pumpfunktion der linken Herzkammer (sog. „HFpEF“-Typ). HFpEF tritt häufig bei Patienten mit metabolischen Stoffwechselstörungen auf (Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck) und ist mit einer hohen Sterblichkeitsrate verbunden. Im Rahmen des Krankheitsgeschehens kommt es zu einem strukturellen Umbau des linken Vorhofes (sog. atrial remodeling), welches die Füllung der linken Herzkammer zusätzlich erschwert und häufig von Herzrhythmusstörungen begleitet wird. Bislang steht keine zielgerichtete Pharmakotherapie für Patienten mit HFpEF zur Verfügung. In einem Rattenmodell für das metabolische Syndrom wurde der Einfluss lokaler Entzündung durch das pro-inflammatorische Zytokin tumor necrosis factor alpha (TNFα) und das anti-inflammatorische Interleukin-10 (IL-10), sowie von freien Sauerstoffradikalen (sog. Oxidativer Stress) auf das Krankheitsgeschehen im linken Vorhof untersucht. 

Methoden: ZSF-1 Ratten, welche eine Mutation des Leptinrezeptors aufzeigen, dienten als Modell für metabolisches HFpEF und linksatriales remodeling. Die kardiale Morphologie und Funktion in-vivo wurde mittels Echokardiographie analysiert. Für die in-vitro Experimente wurden primäre Herzmuskelzellen des linken Vorhofs mittels Langendorff-Apparatur isoliert. Mitochondriale Strukturen wurden mit dem Fluoreszenzfarbstoff Mitotracker Red unter einem konfokalen Mikroskop dargestellt. Die Produktion freier Sauerstoffradikale wurde mittels H2-DCF quantifiziert. Die zytosolische Ca2+-Homöostase wurde in An- oder Abwesenheit von pro- (TNF-α) oder anti-inflammatorischen Zytokinen (IL-10) begutachtet. Die Expression der jeweiligen Zytokinrezeptoren wurde mittels Western Blot bestimmt.

Ergebnisse: In der Echokardiographie präsentierten die ZSF-1 Ratten charakteristische Eigenschaften des atrial remodeling bei metabolischem HFpEF (erhaltene Ejektionsfraktion, Linksherzhypertrophie, diastolische Funktionsstörung, Vergrößerung des linken Vorhofs). Die strukturelle Analyse von Mitochondrien in isolierten Herzmuskelzellen zeigte bei HFpEF eine erhöhte Teilungsbereitschaft (sog. mitochondrial fission), welches mit einer verstärkten Produktion von freien Sauerstoffradikalen verbunden war. Die Ca2+-Homöostase der Herzmuskelzellen bei HFpEF zeigte sich gestört (reduzierte Amplituden, verlängerte Wiederaufnahme), sprach nicht auf die Gabe von TNF-alpha an, aber konnte durch eine Behandlung mit IL-10 deutlich verbessert werden. 

Abbildung: Versuchsaufbau intrinsische Modulation unter pro-inflammatorischen Zytokinen

Die Herzmuskelzellen der Kontrolltiere zeigten eine Verschlechterung durch TNFα, sprachen jedoch nicht auf IL-10 an. Die Expression von TNFα Rezeptoren Typ 1/2 und IL-10 Typ 2 waren bei HFpEF deutlich verringert, während IL-10 Typ 1 unverändert blieb.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass eine intrinsische Entzündung von Herzmuskelzellen eine zentrale Schaltstelle für eine gestörte Regulation der Ca2+-Homöostase und einen erhöhten oxidativen Stress im linken Vorhof bei HFpEF darstellt. Eine erhöhte Verfügbarkeit des pro-inflammatorischen Zytokins IL-10 könnte einen wirksamen therapeutischen Ansatz zur Behandlung des atrialen remodeling darstellen und sollte in weiteren Studien untersucht werden.


Die Drittplatzierte des Begutachtungsprozesses ist

Frau Nina Rank, 32 J, Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Klinik für Kardiovaskuläre Chirurgie des Virchow-Klinikums der Charité Berlin bei Prof. Falk. 

Nach dem Abitur in Ansbach studierte Frau Rank Humanmedizin in Münster, wechselte nach Berlin und studierte hier parallel Physik und Humanmedizin. Seit März 2017 beschäftigt sie sich am Deutschen Herzzentrum Berlin mit ihrer Promotion zum Thema „Deep Learning“ und hat sich an mehreren Publikationen beteiligt. 

Ihre drittplatzierte Arbeit „Deep-learning-based real-time prediction of acute kidney injury outperforms human predictive performance” wurde in dem Journal njp Digital Medicine publiziert und wird nachfolgend in Kurzfassung dargestellt.

Deep-Iearning basierte Echtzeit-Vorhersage von akutem Nierenversagen nach kardiochirurgischen Eingriffen Hintergrund 

Einleitung: Akutes Nierenversagen (ANV) ist eine der häufigsten Komplikationen nach kardiochirurgischen Operationen und gilt als unabhängiger Risikofaktor für frühe und späte Mortalität. Eine frühzeitige Vorhersage von ANV würde die Einleitung präventiver Maßnahmen erlauben, ist jedoch in der klinischen Routine eine Herausforderung. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die Menge der postoperativen Daten zu groß und zu hochdimensional ist, um vom Menschen effektiv verarbeitet werden zu können. Obwohl es mehrere klinische Risiko-Scores für die Vorhersage des postoperativen ANV gibt, wird keiner davon in den Leitlinien ausdrücklich empfohlen. Die bestehenden Scores beruhen überwiegend auf Demografie und Krankheitsgeschichte der Patienten, sowie dem Operationstyp und erfordern zeitaufwändige manuelle Datenerfassung und -berechnung. Darüber hinaus basieren die klassischen Scores auf Statistiken oder Einzelzeitmessungen und können sich daher nicht dynamisch an Veränderungen des Krankheitszustands eines/r Patientin im Laufe der Zeit anpassen.

Ziel der Studie: Das Ziel der Studie war, mit Hilfe von Machine Learning ein Computermodell zu entwickeln, dass Echtzeit-Vorhersagen für ANV nach kardiochirurgischen Eingriffen ermöglicht, basierend auf routinemäßig gesammelten Daten während eines Krankenhausaufenthalts.

Methoden: In der Studie wurden retrospektiv die Daten der elektronischen Patientenkurve aller Patienten (>18 Jahre) mit kardiochirurgischen Eingriffen im Zeitraum vom Oktober 2017 – Februar 2018 des Deutschen Herzzentrums Berlin analysiert (15.564 Fälle / 13.895 Patienten). Nach Anwendung der Ausschluss-kriterien (z.B. Dialysepflichtigkeit vor OP, ungenügende Dokumentation) wurden 1.308 Fälle mit post-operativem schwerem ANV (KDIGO Stadium 2 o. 3) identifiziert. Basierend auf 96 routinemäßig erfassten Parametern (u.a. Vitalparameter, Laborwerte, Art der Operation) wurde ein rekurrentes neu-ronales Netz (RNN) zur Echtzeit- Vorhersage von ANV nach kardio-thorakalen Operationen entwickelt. Dazu wurde zunächst ein balanciertes Trainingsset (85%, 2.224 Aufnahmen) für die Entwicklung des RNN konstruiert, welches in 15-Minuten-Intervallen die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von ANV innerhalb der ersten sieben postoperativen Tage bestimmte. Das Modell wurde anschließend anhand eines unabhängigen balancierten Testsets (350 Aufnahmen) evaluiert. Zusätzlich wurde die Vorher-sagegüte des Modells mit derer erfahrener Ärzte verglichen. Hierfür erhielten sieben Ärzte jeweils 50 verschiedene Fälle, für welche sie eine Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von ANV angaben. Die Vorhersage wurde zu einem zufällig gewählten Zeitpunkt (“Prädiktionspunkt”) innerhalb der ersten sieben postoperativen Tage getroffen. Ärzte und das RNN erhielten die Informationen der elektro-nischen Patientenkurve bis genau zum Prädiktionspunkt. Die Vorhersagen wurden mittels DeLong’s Test für Flächen unter korrelierten ROC-Kurven verglichen. Zudem wurde die Kalibrierung der Ärzte und des RNN untersucht.

Ergebnisse: Die Evaluierung des Modells anhand des unabhängigen Testsets ergab eine Area under the curve (AUC) (95% CI) von 0,89 (0,86 – 0,92) und eine Precision-Recall-AUC von 0,90 (0,87 – 0,93). Bei einer Sensitivität von 0,85 (Schwellenwert für positive/negative Klassifikation definiert anhand des Trainingssets) wurde eine Spezifität von 0,80 (0,74 – 0,85), eine Accuracy von 0,83 (0,79 – 0,86), ein negativer prädiktiver Wert von 0,85 (0,80 – 0,90) und ein positiver prädiktiver Wert von 0,80 (0,75 – 0,86) erreicht. 

Abbildung: Receiver Operating Characteristics (ROC) (a), Precision-Recall-Kurve (b) und Kalibrierung von Ärzten (c) und rekurrentem neuronalen) Netz (RNN) (d). AUC = Area under the curve. H-L = Hosmer-Lemeshow-Test, PR AUC = Precision-Recall AUC. Das RNN übertraf die Leistung der Ärzte hinsichtlich AUC (a) und PR AUC (b). Die Ärzte unterschätzten systematisch das Risiko eines akuten Nierenversagens (vorhergesagte Risiken < beobachtete Risiken), c). Im Gegensatz dazu war das RNN insgesamt gut kalibriert (d).

Im direkten Vergleich übertraf das RNN die Ärzte bezüglich aller Metriken. Die erreichte AUC war signifikant höher als die der Ärzte (RNN: 0,90 vs. Ärztinnen: 0,75, p < 0,001, Z = 6,85, DeLong’s Test). Insgesamt waren die Vorhersagen der Ärzte schlecht kalibriert (p < 0,001, X2 = 165,5, Hosmer-Lemeshow-Test); sie unterschätzten das Risiko für ANV systematisch. Demgegenüber war das RNN gut kalibriert (p = 0,37, X2 = 8,67, Hosmer-Lemeshow-Test). 

Schlussfolgerungen: Die zunehmende Digitalisierung medizinischer Informationen eröffnet neue Möglichkeiten für die (Echtzeit)-Vorhersage von postoperativen Komplikationen. Anhand einer für Machine-Learning-Studien relativ kleinen Fallzahl konnte ein hochpräzises Modell für die Vorhersage von ANV nach kardio-thorakalen Operationen entwickelt werden, das erfahrene Ärzte deutlich übertraf. Es könnte potenziell in die elektronische Patientenkurve zur Echtzeitüberwachung der Patienten integriert werden und dazu beitragen, ANV frühzeitig zu erkennen und somit die Behandlung in der perioperativen Versorgung zu verbessern.