Gesellschaftsgeschichte

Entwicklung der Berliner Kardiologie

und die Berlin-Brandenburgische Gesellschaft für Herz- und Kreislauferkrankungen

– ein kurzer historischer Abriss –

Spätestens seit der Wende vom vergangenen Jahrhundert begann durch die verbesserten Möglichkeiten der Betrachtung morphologischer und funktioneller Abläufe mit der Weiterentwicklung der Mikroskopie und der Elektrophysiologie ein gesteigertes Interesse der Kliniker am Einzelorgan im Gegensatz zur früher vor-herrschenden Ganzkörperbetrachtung pathologischer Entitäten.

In Berlin verbanden sich mit der sich rasch entwickelnden Herzforschung der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts vor allem die Namen F. Kraus, G. von Bergmann, W. His, Th. Brugsch und der aus Eberswalde stammende ursprüngliche Urologe W. Forssmann oder auf chirugischer Seite F. Sauerbruch und W. Felix. Nach dem 2. Weltkrieg beeinflußte weltweit die sich rasch entwickelnde Herzchirugie auch die Notwendigkeit der Weiterentwicklung kardiologischer Diagnostik. So wurde das von Forssmann vorgestellte Konzept der Herzkatheterdiagnostik zur Routinereife geführt und in die klinische Diagnostik eingebracht. Sowohl an der Entwicklung der Herzchirurgie als auch der Kardiologie dieser Zeit hatten in Berlin wirkende Ärzte entscheidende Anteile. Der Herzchirurg H. Linder und der von Düsseldorf nach Berlin-Moabit gekommene Kardiologe O. Bayer haben maßgeblich diese Entwicklung beeinflußt.

Später wurde die kardiologische Weiterentwicklung im Westen von G. Neuhaus, H. Schmutzler und R. Schröder geprägt, während auf chirurgischer Seite E. S. Bücherl und danach R. Hetzer internationale Bekanntheit erlangten. An der Charité im damaligen Ost-Berlin erreichte der Interventionskardiologe W. Porstmann mit verschiedenen neu entwickelten Kathetertechniken großen Ruhm. Bis zum Ende der 80er Jahre, unmittelbar vor der Wende, hatten sich alleine im Westteil der Stadt eine Reihe invasiv tätiger kardiologischer Abteilungen gebildet, die teilweise aus Schulen mit stark divergierenden fachlichen Auffassungen stammten.

So erschien es zwar als gewagtes Unterfangen, andererseits aber auch als einmalige historische Möglichkeit, unmittelbar nach Öffnung der Mauer die verschiedenen westlichen Kardiologenschulen zusammen mit den Wissenschaftlergruppen aus dem Ostteil der Stadt erstmalig in einer „Berliner Kardiologen-Gesellschaft“ zu vereinigen, um gemeinsame Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen sowie auch wissenschaftliche Inhalte voranzutreiben und zu bearbeiten. Dieser Idee folgte auch die Herausgabe des ersten und einzigen gemeinsamen kardiologischen Lehrbuches aus beiden Landesteilen „Kardiovaskuläre Funktionsdiagnostik“ von Wilhelm Urbaszek, Hermann Eichstädt und Diethelm Modersohn, welches über mehrere Jahre über die Grenzen hinweg vorbereitet worden war und nach Grenzöffnung im Gustav Fischer Verlag gleichzeitig an den Verlagsstandorten Jena und Stuttgart realisiert wurde.

Unter diesen Vorstellungen der Zusammenführung trafen sich am 1. April 1990 der West-Berliner Kardiologe Prof. Dr. Hermann Eichstädt, der Kardiologe aus Berlin-Buch Prof. Dr. Hans Pech und der experimentelle Kardiologe und Physiologe Dr. Diethelm Modersohn aus der Charité in Berlin Mitte. Sie bildeten einen „Gründungsausschuß“, der sich mit der administrativen Vorbereitung der Gründung einer „Berlin-Branden-burgischen Gesellschaft für klinische und experimentelle Kardiologie“ befassen sollte.

Die Gesellschaft wollte ausdrücklich eine regional betonte, aber eigenständige Kardiologengesellschaft sein, die keinen regionalen Unterverband der Deutschen Gesellschaft für Herz- und Kreislaufforschung darstellte. Die Vorstände der westlichen „Deutsche Gesellschaft für Herz- und Kreislaufforschung“ und der „Gesellschaft für Kardiologie und Angiologie der (damaligen) DDR“ befassten sich auf Antrag von Prof. Eichstädt mit dem Vorhaben und begrüßten im April 1990 schriftlich die Gründung. Der Gründungsausschuß entwarf sodann eine Satzung und initiierte für den 25. Mai 1990 eine „beratende Versammlung der Berliner Kardiologen“, auf welcher ein Komitee gebildet wurde, welches sich mit der Klärung der Inhalte und Probleme zur Gründung einer Berliner Kardiologengesellschaft beschäftigen sollte. Von einem eingesetzten Justiziar wurde zusammen mit diesem Komitee die erste Satzung überarbeitet und sodann am 17. Oktober 1990 einer ersten Vollversammlung von Kardiologen aus Berlin und Brandenburg vorgelegt. An dieser Versammlung nahmen 91 Kardiologen aus der Region teil, es wurde unter erneuter Modifikation des Namens nunmehr die Gründung einer „Berlin-Brandenburgischen Arbeitsgemeinschaft für Herz- und Kreislauferkrankungen” beschlossen und ein Vorstand mit folgenden Mitgliedern gewählt: Andresen, Bein, Eichstädt, Romaniuk, Rostock, Schröder, Wagner. Der Vorstand wählte aus seiner Mitte Herrn Prof. Dr. R. Schröder zum Vorsitzenden und Herrn Prof. Dr. H. Eichstädt zum Schriftführer.

Auf Initiative und unter Mitwirkung dieser Arbeitsgemeinschaft, deren Tätigkeit sich vorrangig in einigen spezialisierten Arbeitsgruppen artikulierte, wurde eine Reihe wissenschaftlicher Veranstaltungen abgehalten. Zudem fanden jährliche Mitgliederversammlungen statt.

Am 4. Dezember 1993 wurde ein neuer Vorstand gewählt. Dieser setzte sich nun (alphab.) aus den Herren Eichstädt, Gadow, Gutschker, Hetzer, Modersohn, Oeff und Schönstedt zusammen. Der neue Vorstand beschloß auf seiner Sitzung vom 25. Januar 1994 die Umwandlung der Arbeitsgemeinschaft in eine „Berlin-Branden-burgische Gesellschaft für Herz- und Kreislauferkrankungen e.V.” Zu deren erstem Vorsitzenden wurde der Chirurg R. Hetzer gewählt, zum Geschäftsführer der Kardiologe H. Eichstädt. Die beantragte Eintragung in das Vereinsregister des Amtgerichtes Charlottenburg erfolgte am 24. Juni 1994.

Die Gesellschaft erfreute sich seit ihrer offiziellen Eintragung eines erheblichen Mitgliederzustromes, deren Zahl sich inzwischen auf 602 (10/16) offizielle Mitglieder beziffert, zu denen die meisten namhaften Herz-Kreislaufmediziner der Länder Berlin und Brandenburg gehören, inzwischen auch viele Ärzte im übrigen Bundesgebiet und im Ausland. Die Neuberufungen der Kardiologen G. Baumann, R. Dietz und H.-P. Schultheiß und des Herzchirurgen W. Konertz nach Berlin in der ersten Hälfte der neunziger Jahre sowie die Neugründung und Neubesetzung kardiologischer Abteilungen und Herzzentren in Berlin und Brandenburg bereicherten die Region mit zusätzlichen Aspekten in Forschung und Krankenversorgung.

An dieser Stelle sei der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß diese Gesellschaft auch weiterhin dazu beitragen möge, die Aktivierung und Integration kardiologischer Forschung, Fort- und Weiterbildung in Berlin und Brandenburg zu unterstützen und zu fördern.